Zu meinem Beruf gehört es, sehr viel Essen zu gehen. Macht mir das noch Spaß, werde ich oft gefragt - genieße ich das noch? Ja, natürlich. Aber wer viel kennt, kann auch besser vergleichen – sachlich wie emotional. In diesem neuen Format möchte ich jeden Monat Teller herausstellen, die mich berührt, begeistert, überrascht haben. Gerichte, die ich besonders genossen habe – weil sie klug komponiert, überraschend oder einfach tief im Gedächtnis geblieben sind.
es:senz: Époisses vom anderen Stern
ÉPOISSES
Ananas | Knoblauch Brot | 20-jähriger Balsamico
Beim Essen eines Gangs Gänsehaut bekommen, weil er so besonders ist? Das passiert nicht so oft. Die Überraschung, der sagenhafte Wohlgeschmack, die intelligente Konzeption und all das als Input für Zunge und Gehirn, der noch nicht dagewesen ist. Diesen Käsegang mit reifem Époisses, aromatischer Ananas, schwarzen Oliven, knusprigem Knoblauch Brot (da ist der Knoblauch auch nicht nur vorbei geflogen) und altem Balsamico war werde ich lange in Erinnerung behalten. Ganz ganz großes Kino, Edip Sigl!
Übrigens: auch der Wahnsinns-Hauptgang hat mich echt gekriegt. Dazu gibt es hier ein Reel auf Instagram.
📍Restaurant es:senz im Das Achental, Grassau im Chiemgau
👨🏻🍳 Edip Sigl @edip_sigl_official (auf Instagram)
🏆 3 Stern Guide MICHELIN
Tantris DNA: À la carte is my love language
Soufflierte Seezunge „petit bateau“ für 2 Personen
Bouquet-Crevetten · Sauce Américaine
offizielle Beschreibung: Seezungen Filets souffliert und komplett entgrätet, mit einer Souffliermasse aus Ei, Schnittlauch, Butter und Hechtfarce. Glasiert mit einreduzierter Sauce Américaine und garniert mit Mönchsbart, Crevettes bouquet (Bretonische Sägelgarnelen) und Mangold.
Dass ich die Klassik liebe, ist spätestens durch mein Kunst-Projekt “culinary timepieces - a tribute to classic cuisine” hinlänglich bekannt. Dass ich es außerdem liebe à la carte zu essen kommt davon, dass ich gerne die Wahl habe (gerade, wo man es im Restaurant sonst so oft nicht hat). Dass ich diese Seezunge geliebt habe, liegt daran, dass sie handwerklich perfekt gefüllt, gegart und drappiert war (und ich sehr gerne Fisch esse). Und warum ich die Küche von Benjamin Chmura liebe? Zarte Eleganz (in der soufflierten Seezunge), Vegetabilität (vom frischen Gemüse hier), oft Zitrus-Noten und Früchte (🍋), sehr intensive Saucen, eine ganz eigene Ästhetik (die im Restaurant Tantris noch stärker sichtbar wird als im DNA). Nicht ohne anspruchsvolle Komplexität - und trotzdem ein Gericht, von dem man am liebsten gleich einen zweiten Teller essen würde.
📍Tantris DNA im Tantris Maison Culinaire, München
👨🏻🍳 Benjamin Chmura @benjamin_chmura (auf Instagram)
🏆 1 Stern Guide MICHELIN
Obauer: Wo Gastgeben erfunden wurde
An sich wollte ich hier ein Steinbutt-Gericht mit Safransud und Roter Bete vorstellen. Offensichtlich war ich aber so im Glück als es an den Tisch kam, dass ich genau davon kein Foto gemacht habe. Es hätte auch kaum genügt, nur einen Teller zu zeigen. Mein erster Besuch bei Obauers war ganz spontan, und gleich sehr emotional. Was für ein herzlicher, gastfreundlicher Ort. Und das Essen! Mit welchem handgelenksgeschüttelten Selbstverständnis hier in Perfektion gekocht wird. Kein TamTam, kein Posing auf dem Teller, keine Unnötigkeiten. Understatement, weltoffener kulinarischer Weitblick, Klassik und familiäre Gastfreundschaft ergeben hier ein Wohlgefühl, das kaum zu übertreffen sein dürfte. Und weil der Steinbutt zum Auslöffeln ohne Foto verschwand, hier als Symbolbild die Dessertvariation, die zum Weinen gut war. Reduktion mit Haltung und Emotion.
📍Obauer, Werfen
👨🏻🍳 Karl und Rudolf Obauer @obauer_restaurant (auf Instagram)
🏆 2 Sterne Guide MICHELIN
Kilian Stuba: Kleinod im Kleinwalsertal
Apfel, Sahnekaramell, Cidre Sorbet, Crème Chantilly
To be fair: das war schon im Februar (aber da gab es diese Serie hier ja noch nicht). Mein erstes Dinner zurück aus Asien hat mich in die Kilian Stuba im Ifen Hotel Kleinwalsertal zu Sascha Kemmerer geführt, dessen Küche ich schon viele Jahre liebe und schätze – für ihre schlichte Geradlinigkeit, ihre Referenzen zur Klassik, ihre eleganten französischen Einschläge und ihre genussvolle Umsetzung.
Karamellisierter Blätterteig und Boskoop Apfel
Sahnekaramell aromatisiert mit Reisetbauer Sojasauce
Cidre Sorbet | Crème Chantilly mit Zimt verfeinert
Eine genussvolle Kindheitserinnerung zum Reinlegen, eine Referenz zur Tarte Tatin, die Karamellsauce mit Tiefe, die Vanillecreme in Perfektion und das Cidre Sorbet, das mit herber Frische alles Rund macht. Einen Klassiker so schlau aufzufrischen, ohne ihn zu verdrehen - das gelingt Sascha Kemmerer in der Kilian Stuba immer wieder – und macht seine Küche so wohlfühlig und einzigartig.
📍Kilian Stuba im Ifen Hotel Kleinwalsertal
👨🏻🍳 Sascha Kemmerer @saschakemmerer (auf Instagram)
🏆 18,5 P Gault&Millau, 1 Stern Guide MICHELIN
Meine Küche: Learning Thai Food
Nach 6 Wochen Südost-Asien, vor allem Bangkok, vermisse ich die thailändische Küche. Wer WIRKLICH gute Thai-Küche in München kennt, möge sich bei mir melden. Ich war zuletzt oft sehr enttäuscht.
Weil ich in meinen vielen Trips nach Bangkok mittlerweile eine Idee davon bekomme, wie komplex die Küche dort eigentlich ist, habe ich mich zurück zu Hause ein bisschen in mein David Thompson Standardwerk eingelesen und gekocht. (Merci Angela und Robert für’s Versuchskaninchen sein!)
Und was soll ich sagen: das Massaman Curry war unerwartet extrem gut. Ich weiß jetzt schon nicht mehr was ich tun soll, wenn die Curry Paste aus Bangkok leer ist. Das Geschäft gehört übrigens der Familie von Mint von “Samrub Samrub Thai” (mein Lieblingsrestaurant in Bangkok), ihr Mann und Küchenchef Prin war lange der Küchenchef von David Thompson im “nahm”.
Was ich gelernt habe: es lohnt sich, den Prozess durchzuspielen: Gemüse und Fleisch separat anbraten und schmoren. Kokosmilch “cracken” bis sich das Fett absetzt. Darin die Currypaste anbraten, das ganze am Ende zusammenführen.
Zugegeben: kein Restaurantbesuch, sondern ein privater Ausflug in eine Küche, die ich nach vielen Bangkok-Reisen immer besser verstehe – und zunehmend vermisse. Vielleicht gerade deshalb ein persönliches Highlight dieses Monats.
Ob es noch mehr gutes Essen gab? Ja!
In den nächsten Tagen gibt es hier noch ein neues Format: meine Spuren des Monats. Mit Einblicken über Stationen, besondere Events, Reisen und Restaurantbesuche.
Fragen? Gerne in die Kommentare.